Kultur · 12 august 2020 · Jens Høvsgaard, illustration Claudia Riemers, Die Brücke

Gefühle und Empfindungen haben freien Lauf

Wenn der Kunstverein Næstved Kunstforening ab Mittwoch dem 19. August für drei Tage in Zusammenarbeit mit kultKIT seine Türen für die 18. Ausgabe der Kunstmesse Handi-Art öffnet, wird dabei sowohl Kunst aus Dänemark als auch Deutschland, Litauen und Polen vertreten sein.

Auch wenn die ausstellenden Künstler*innen, die alle eine Behinderung haben und psychisch oder körperlich beeinträchtigt sind, sich in vielen verschiedenen Kunstrichtungen ausdrücken, gibt es trotzdem einen roten Faden, der sich durch sämtliche Werke der Ausstellung im Gebäude Det Gamle Ridehus auf dem Gelände der Kaserne in der Grønnegade in Næstved zieht.

Ein roter Faden mit der Aussage, dass behinderte Menschen unabhängig und gleichberechtigt mit der übrigen Gesellschaft leben möchten.

„Kunst ist Kommunikation, und auf der Handi-Art kommunizieren Menschen aus vielen verschieden Ländern in einer gemeinsamen Sprache und erzählen, dass Künstler*innen mit einer psychischen Beeinträchtigung durchaus gute Künstler*innen sein können“, berichtet Claudia Riemers von Die Brücke, einer Non-Profit-Organisation mit therapeutischem Angebot in Lübeck.

Interkultureller Erfahrungsaustausch
Auf der Messe stellt sie selbst eine Serie von Werken vor, in denen wiedererkennbare Motive, wie Schmetterlinge, in einer dystopischen und dunklen Realität gefangen sind, wo jedoch auch Ritzen mit Hoffnung auf ein anderes, helleres Dasein erkennbar sind.

Ihre Künstlerkollegin von Die Brücke, Ulrike Riders, sieht in der Möglichkeit, die die Handi-Art den teilnehmenden Künstler*innen bietet, ein ähnliches Bild.

„Die Ausstellung gibt einem die Möglichkeit, Gefühlen und Empfindungen in einem starken künstlerischen Ausdruck freien Lauf zu lassen“, erklärt sie und erzählt, dass es für die einzelnen Künstler*innen von großer Bedeutung ist, dieses in einem Forum tun zu können, in dem gleichzeitig Erfahrungen mit Gleichgesinnten aus anderen Ländern ausgetauscht werden können.

Erweiterung des persönlichen und künstlerischen Horizonts
„Dieser Austausch und die interkulturelle Begegnung zwischen behinderten Künstler*innen aus verschiedenen Ostseestaaten ist von großer Bedeutung für das Verständnis für die kulturellen Unterschiede und Ähnlichkeiten der teilnehmen Länder“, erläutert Christian Kuzieck, der auf der Ausstellung in Næstved ebenfalls Die Brücke repräsentiert.

Er betont gleichzeitig die Wichtigkeit des Aspekts, dass die Messe den Künstler*innen nicht nur die Möglichkeit bietet, ihre Werke einem ausländischen Publikum vorzustellen, sondern auch einen Raum für eine soziokulturelle Begegnung schafft, bei der das Zusammenspiel zwischen Kunst und Menschen die einzelnen Künstler*innen beeinflusst.

„Durch das Kennenlernen von Menschen mit anderem kulturellen Hintergrund erweitert man seinen eigenen Horizont und sieht seine Probleme und Herausforderungen aus einer anderen Perspektive“, erklärt er und wird in seiner Meinung von seinem Künstlerkollegen Yves Sinon bestärkt, der sich auf das Wiedersehen mit Næstved und einigen der persönlichen Kontakte, die er bei seiner Teilnahme an der 2019-Ausgabe der Handi-Art knüpfte, freut.

„Es ist leichter, unsere persönlichen Geschichten und Visionen miteinander zu teilen, weil das Interesse für Kunst eine gemeinsame Grundlage ist, die im besten Fall die Krankheit in den Hintergrund stellen kann“, fügt er hinzu.

Die Kunst mit Corona umzugehen
Neben der künstlerischen und kulturellen Begegnung mit ausländischen Kolleg*innen hofft Yves Sinon zudem, dass die diesjährige Messe in Bezug auf den Umgang mit der aktuellen Corona-Situation in den Nachbarländern neue Aspekte beitragen kann.

„Es wird interessant sein, über die interkulturellen Unterschiede zu sprechen und darüber, wie man in den einzelnen Ländern mit dieser besonderen Situation umgeht“, berichtet er.

Eine Situation, die für den Ausstellungsbeitrag der litauischen Künstler*innengruppe leider mit Einschränkungen verbunden ist. Aufgrund der nationalen Richtlinien und Ausreisebeschränkungen haben die Künstler*innen keine Möglichkeit, persönlich an der Messe teilzunehmen. Ihre Werke sind daher alleine nach Næstved gereist, so dass litauische Kunst trotzdem in der Ausstellung vertreten sein wird.

Der Eintritt für Besucher ist kostenlos, und die Ausstellung ist täglich von 10 bis 17 Uhr geöffnet.